Klütz

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Die Vorbereitungen für eine Erstellung der Chronik laufen. Wir bemühen uns die Rechte aller verwendeten Materialien im Vorfeld zu recherchieren. Sollten wir Bilder, Texte oder anderes verwendet haben, für die sich die Urheberrechte in anderer Hand befinden, wenden sie sich bitte direkt an den Heimatverein Klützer Winkel e.V. (Stand: 29.03.2024)

Klütz liegt im Nordwesten Mecklenburgs, 3 Km von der Ostseeküste entfert, zwischen Grevesmühlen und den beiden alten Hansestädten Wismar und Lübeck. Diese Lage prägte auch maßgeblich die Geschichte der kleinen Stadt. Es ist der zentrale Ort des Klützer Winkels. Und: "Der Klützer Winkel is so wiet, as man denn Klützer Kirturm süht." Die Einen behaupten, Klütz sei als eine slawische Siedlung gegründet worden, was man aus dem alten Namen "Cluitze" ableiten könne. Andere widersprechen dem vehement. Bewiesen ist keines von beidem. Die Funde slawischer Artefakte beschränken sich bislang auf die Umgegend. In Klütz selbst und der näheren Umgebung gab es bislang noch keine slawischen Funde. Aber: Was nicht ist, kann noch werden.


Kenndaten des Orts
Name (heute)Klütz
Regionale Einordnung (heute)
Postleitzahl23948
VerwaltungsamtAmt Klützer Winkel
LandkreisNordwestmecklenburg
Zahlen
Einwohner3153 (31. Dez. 2022)
KoordinatenBreite: 53.9671 / Länge: 11.1657


Geographische Lage


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Einführende Information

Die hier angelegte Chronik dient als Sammlungsort für bereits bekannte Quellen und Materialien. Sie dient einerseits der Sammlung als auch zur Information für alle Interessierten. Sie kann und wird nie vollständig sein und ist auch nicht darauf angelegt, jemals beendet zu werden. Zeit fließt, und irgendwann ist auch das Morgen ein Gestern. Sollten sie Quellen und Materialien haben, die sie uns für die Arbeit an der Chronik zur Verfügung stellen möchten, oder möchten sie an der Chronik mirarbeiten, wenden Sie sich gerne an den Klützer Heimatverein. In den Texten wird auch immer wieder neben dem Begriff Klützer Winkel der Begriff Klützer Ort erscheinen. Beides meint dasselbe Gebiet. Klützer Ort ist die ältere Bezeichnung.

Das Wappen von Klütz

Wappen von Klütz

Das aktuelle Wappen ist seit 1997 gültig. Zuvor gab es bereits 4 Vorgänger.
Blasonierung: In Grün eine silberne Eule auf zwei schräggekreuzten, seitlich wachsenden, vierblättrigen goldenen Lindenzweigen sitzend, darüber zwei schräggekreuzte dreiblättrige goldene Lindenzweige

Kurzer Abriss der Geschichte des Ortes Klütz

Das Gebiet um Klütz wird, wie zahlreiche Funde belegen, seit Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren von Menschen bewohnt. Auch eine germanische und slawische Besiedlung kann für das Klützer Umland nachgewiesen werden. Für den Ort selbst sind die ältesten Funde bislang aus frühdeutscher Zeit im 13. Jahrhundert. Die erstmalige Erwähnung des „Silva Cluiz“, dem Wald Klütz, erfolgte 1188 in der Urkunde Friedrich I., Barbarossas. [1] [2]:

„Friedrich I., Römischer Kaiser, setzt die Grenzen des Gebietes der Stadt Lübeck fest und verleihet derselben bedeutende Vorrechte und Freiheiten. 1188. Sept. 19. Leissnich“). 

In dieser Urkunde wird der Stadt Lübeck das Recht zugestanden, im Wald Klütz Holz zu schlagen, vermutlich für den Wiederaufbau der Stadt an ihrem heutigen Platz.

Mit der ersten mecklenburgischen Teilung 1229/30 fiel das Land Klütz vom Bistum Ratzeburg an das Herzogtum Mecklenburg. Die erstmalige Erwähnung des Ortes Klütz erfolgte 1230 im Ratzeburger Zehntenregister als „Clutce“. Bischof Gottschalk zu Ratzeburg hatte ein umfangreiches Register über den vom Ratzeburger Bistum verliehenen und verpfändeten Zehnten angeordnet.

Über die Herkunft des Namens Klütz gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Lange ging man von dem slawischen Wort Kluci für Schlüssel aus. Was sich auch in dem hautsächlich in der DDR verwendeten Wappen mit Eule und Schlüssel wiederfand. Eine andere Erklärung ist das altpolabische Wort Kljuci für Quelle. Wobei es im Ort Klütz keine einzige Quelle gibt. Vielleicht kann dies zukünftig geklärt werden.

Als Lokator für die deutsche Besiedlung im 12. und 13. Jahrhundert gilt der Ritter Erpus (Erbse), der seinen Namen in dem inzwischen zu Klütz gehörenden Dorf Arpshagen (Erpushagen) hinterlassen hat.

In die Zeit des 13. Jahrhunderts fällt ebenso die Gründung der Klützer Kirche als Backsteinbau. Der erste Kirchenbau wurde um 1250 beendet und geweiht. Die dendrochronologische Untersuchung der Dachbalken ergab, dass sie 1248 geschlagen wurden. Zur Weihe der Kirche kam eigens der später heiliggesprochene Ratzeburger Bischof Ludolf, der als Beweis für seine Anwesenheit seine Petschaft auf einem Klützer Acker verlor. Im 15. Jahrhundert wurde die kleine Kirche um eine dreischiffige Halle und einen 56 m hohen, viereckigen, mit einer achteckigen Turmspitze bekrönten Turm erweitert. Überliefert ist auch ein Vorgängerbau aus Holz, für den bislang konkrete Belege fehlen. Im Chor der Kirche befindet sich weiterhin ein Chorgestühl aus vorreformatorischer Zeit. Ursprünglich war dieses einseitig. Die zweite Seite wurde im 19. Jahrhundert ergänzt.

Die Lage auf einer Halbinsel zwischen den Städten Lübeck, Wismar und Grevesmühlen prägte die Entwicklung von Klütz im Positiven, wie im Negativen. Bis in die Neuzeit gab es Streit über verschiedenste Dinge. Über Klütz führte eine alternative, wenn auch bei schlechtem Wetter schwer zu nutzende Straße von Lübeck über Dassow nach Wismar. Während der Pest im 14./15. Jahrhundert, soll es an dieser Straße von Klütz in Richtung Wismar ein Pesthaus gegenüber der heutigen katholischen Kirche gegeben haben. Hier mussten sich Reisende in Richtung Wismar in Quarantäne begeben, damit sie die Pest nicht in die Stadt einschleppten.

Die Ritter von Plessen waren vom 16. bis zum 18. Jahrhundert die Klützer Grundherren.

Die Reformation fasste in Klütz frühzeitig Fuß. Das lag unter anderem daran, dass die Ritter von Plessen hohe Schulden bei der Kirche hatten. Der erste lutherische Prediger in Mecklenburg hielt seine Messen in Gressow, das ebenfalls den Plessen gehörte. Der erste Prediger in Klütz, Heinrich Wonninck, „ein fein Mann“, folgte nur wenig später. Für die Plessen hatte der Wechsel der Konfession weiterhin den Vorteil, dass sie selbst einen ihnen genehmen Prediger einsetzen konnten. Dem Bischof, der zu dieser Zeit seinen Sitz in der Stadt Schönberg in Mecklenburg hatte, konnte dies nicht recht sein. Er bekämpfte die Plessen und versuchte die Veränderungen rückgängig zu machen. Diese wollten sich die Veränderungen natürlich nicht gefallen. So sammelten die Klützer und Gressower Plessens ihre Verwandten und Verbündeten und zogen gegen den Bischof nach Schönberg in den Krieg. Voller Wut scheiterten sie an den Schönberger Stadtmauern und zogen unverrichteter Dinge von dannen. (Siehe auch der Roman von Fritz Meyer-Scharfenberg „Der Angstmann“. Zur Reformation im Klützer Ort gibt es weiterhin eine erschöpfende Ausarbeitung des Klützer Kantors Martin Brüsehafer im „Gemeindeblatt für die Kirchgemeinde Klütz“ von 1934/35.)

Kriege sind für Historiker nicht immer von Vorteil. Oft gehen Unterlagen verloren oder werden vernichtet. Für Klütz heißt dies, es gibt keine bislang bekannten schriftlichen Unterlagen vor dem Dreißigjährigen Krieg. Auch das Bothmersche Archiv ging im strengen Winter 1945/46 vorwiegend als Heizmaterial für Flüchtlinge in Flammen auf. Trotz alledem hinterließ der Dreißigjährige Krieg seine Spuren in Klütz. Am deutlichsten sind dies heute am Dachanschluss des Kirchendachs des Hauptschiffes am Turm zu erkennen, da das Dach beim Wiederaufbau nicht wieder in derselben Höhe errichtet wurde.

Wenn Klütz auch nicht direkt von den Schlachten des Dreißigjährigen Krieges betroffen war, zogen doch immer wieder Truppen beider Parteien durch den Ort. In dieser Zeit sank die Einwohnerzahl der Region von ca. 1.700 auf 1.000 Personen. Durch den langen Krieg verarmte selbst der „fette“ Klützer Winkel.

Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges fiel die Seestadt Wismar als Festung an Schweden und wurde so in den "Nordischen Krieg" (1674 bis 1679) und den "Großen Nordischen Krieg" (1700-1721) Schwedens mit einbezogen. Dies wirkte sich auch auf Klütz und den Klützer Ort (frühere Bezeichnung für den Klützer Winkel) aus. Die Gegend verarmte weiter und die Plessen, denen das meiste Land im Klützer Ort gehörte, mussten überlegen, sich von ihren über Jahrhunderte angestammten Besitzungen zu trennen. Am 31.03.1656 wurde Hans Caspar von Bothmer auf Burg Lauenbrück als ältester Sohn des Geheimen Rates Julius August von Bothmer geboren. 1701 wurde in England der „[Act of Settlement]“ erlassen, wonach nur protestantische Familienmitglieder den englischen Thron erben können. 1711 übernahm H. C . v. Bothmer die Gesandtschaft in London für das Haus Hannover und verhalf dem hannoverschen Herzog Georg als King George I. zur englischen Königswürde. Als Dank hierfür wurde er 1713 zum Reichsgrafen erhoben. Er war der erste Bewohner von Downing Street No. 10, dem heutigen Sitz der britischen Primeminister. Nun suchte er nach einem Ort, an dem er ein würdiges Schloss für sich und seine Nachkommen bauen konnte, und fand ihn in Sichtweite von Klütz. Hier ließ er sich vom Architekten Johann Friedrich Künnecke 1726-32 das bedeutendste barocke Schlossensemble Mecklenburgs im englischen/holländischem Stil errichten. Die Fertigstellung selbst erlebte er nicht mehr. Das Schloss und seine Besitzer sollten von nun an die Geschicke der Klützer für die nächsten Jahrhunderte prägen.

Klütz galt bis 1938 als Flecken und war damit der einzige ritterschaftliche Flecken Mecklenburgs. Die Bezeichnung Flecken kennzeichnet Orte, in denen sich, auch ohne Stadt zu sein, Handwerk und Handel niederlassen konnten und die einen eigenen Markt abhalten durften. In Klütz fand mindestens seit dem 17. Jahrhundert einmal im Jahr am ersten Wochenende im Oktober, dem „Bündeltag“, ein Jahrmarkt statt. Als dann im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich 1755 die Anordnung enthalten war, dass ausschließlich in Städten Handwerker und Krämer ihr Gewerbe ausüben durften, waren das Klützer Handwerk, der Jahrmarkt und damit die weitere Entwicklung des Ortes bedroht. Hätte Klütz diesen Status verloren, hätte auch das Schloss Bothmer keine Handwerker für seinen Unterhalt mehr vor Ort gehabt. So setzte sich der Graf vor dem Landtag für den Erhalt des Marktrechtes ein. Am 31. Mai 1755 strengt er einen Prozess gegen die Städte Grevesmühlen und Wismar an, die sich die unliebsame Konkurrenz aus Klütz vom Halse halten wollten. Zum Glück wurde der alte Schuster Tobias Friede (1690-1768) gefunden, der sich weit zurückerinnern konnte und dies in Schwerin bezeugte. „Er sei der Meinung, daß bürgerliche Nahrung in Klütz getrieben sei, solange dieser Marktflecken bestehe.“ So wurde über das Gewohnheitsrecht der Status Flecken für Klütz erhalten. „Wat einer het, dat hett’e, un will dei Klützer den Johrmarkt hewn, dorüm saln sei em ok behollen.“M. BrüsehaferGemeindeblatt für die Kirchgemeinde Klütz

Ab ca. 1800 wurden durch die bothmersche Familie im 3 Kilometer entfernten Boltenhagen die ersten Badekarren genutzt. Eventuell hatten sie diese in England kennen gelernt. Ab 1806 rechnet man mit dem offiziellen Beginn des Badebetriebes in Boltenhagen. Boltenhagen ist damit das zweitälteste Seebad Deutschlands.

In der „Franzosentied“ von 1806 – 1813 kam es auch in Klütz zu Einquartierungen. Wieder wurde die Kirche in Mitleidenschaft gezogen. Das Pastorenhaus wurde Offiziersquartier, aber auch in Häusern der Bevölkerung des Ortes mussten Soldaten versorgt werden. Immer wieder gab es Übergriffe auf die Bevölkerung, nachweislich auf ein junges Mädchen, gegen die im Nachhinein eine Verhandlung wegen „Einlassung mit dem Feind“ geführt wurde. Am 21. Mai 1822 wird auf Schloss Bothmer ein Weißstorch erlegt (Klützer Pfeilstorch). In dessen Hals steckte ein hölzerner Pfeil mit eiserner Spitze aus Ostafrika. Dieser Vogel bezeugte zum ersten Mal den Vogelzug von Europa nach Afrika und befindet sich heute in der zoologischen Sammlung der Universität Rostock.

Mit Aufhebung der Leibeigenschaft in Mecklenburg, 1821/22, war für die Landbevölkerung nicht nur eine Befreiung, zumal die endgültige Umsetzung erst 1918 erfolgte. Hiermit hielten, wie oft bei Veränderungen, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit Einzug. Die Grafen von Bothmer taten sich zunächst nicht gerade rühmlich hervor.

„Das Gesicht des Fleckens (Klütz) hat sich unter der „Regierung“ der Bothmer nur wenig verändert, und einer besonderen gräflichen Gunst hat sich der Ort nicht zu erfreuen gehabt, … Man ließ die Dinge eben laufen und stellte nur die gröbsten Mängel ab.“ - M). Brüsehafer 

Das Schloss verkam. Ein Besucher schrieb:

„ ... ; es sah sehr wüst aus, in dem hunderte von kleinen blinden Scheiben der großen Fenster zerbrochen waren und auf dem Schloßhofe, auf welchem man über eine Zugbrücke eintrat, war das Gras zwischen dem Pflaster fußhoch aufgewachsen. Er (der Graf) ließ mich auch nur sein schlecht möbliertes Zimmer sehen. ...“ 

Pastor Dühring sagte:

der Graf sei kein Förderer der Schule und ein unverbesserlicher Hagestolz. Als dieser 1842 nach Lübeck übersiedelte, schrieb Lehrer Bruhns: „Gottlob, Graf Christian Ludwig tritt ab. Er war mein Widersacher, wollte seine Insassen verdummt halten und liebte bei ihnen keine Aufklärung und Geistesbildung und keinen Fortschritt. ,Nur nicht zuviel lernen, nicht zu klug machen, das ist zu nichts nütze,' das war sein Wahlspruch. Ich habe tapfer, die Schule betreffend, mit ihm gekämpft.“ - M. Brüsehafer

Ab 1842 übernahmen Amalasunta von Bothmer mit ihrem Mann Cuno Graf zu Ranzau Schloss Bothmer. Sie war nicht nur die erste Frau in der Erblinie. Sie war auch die erste, die seit langem auf dem Schloss residierte. Sie setzte sich sehr für die Entwicklung des Ortes ein. Unter ihnen entstanden unter anderem erste Vereine und die beidseitige Bebauung der Schloßstraße.

Organist Bruhns:

„Graf Ranzau ist ein beherzter Mann. Mit scharfem Überblick hat er die vielen hier bestehenden Mängel erkannt und greift nun tapfer und herzhaft ein.“ - Organist Bruhns

Im Jahr 1848 erschütterte die Märzrevolution Deutschland. Revolution auf Klützer Art war jedoch anders. Während 1848/49 an vielen deutschen Orten die Menschen vor die Herrenhäuser zogen, um die Bewohner daraus zu vertreiben, zogen die Klützer vor ihr Schloss, um den Grafen und seine Frau zu verteidigen. „In Klütz hewn dei Lüd ok Revolutschon makt, äwer nich gegen denn Grafen, ne för em.“ - Wilhelm Zierow

Im Ergebnis der Aufhebung der Leibeigenschaft und der Märzrevolution drängte es viele Menschen aus Mecklenburg heraus. Auch viele Klützer machten sich auf den Weg nach Amerika, Australien, Südamerika und 1844, als erste mecklenburgische Auswanderergruppe, nach Neuseeland. Unterstützung erhielten sie dabei unter anderem maßgeblich vom Grafen zu Ranzau. 1852 war die kurze Regentschaft von Amalasuntha und ihrem Mann auch schon wieder vorbei. Amalasuntha hatte sich bei ihrem Anspruch auf das Schloss Bothmer auf das mecklenburgische „Erbjungfernrecht“ berufen. Da dieses aber dem Majorat, das die Vererbung des gesamten Besitzes auf den ersten männlichen Erben vorsieht, widersprach, musste sie Bothmer und damit Klütz wieder verlassen. Von nun an residierten diebothmerschen Grafen wieder auf dem Schloss.

Das 19. Jahrhundert brachte auch in Klütz weitere Veränderungen und Entwicklungen mit sich. Kleine Industriemanufakturen bildeten und das Handwerk entwickelte sich. Viele Vereine, wie der Gesangsverein „Frohsinn“ oder der „Heimat und Schützenverein Klütz“ bildeten sich. In Klütz gab es, wie es Martin Brüsehafer formulierte: „immer mehr städtische Nahrung“.

Ab 1844 fuhr die erst gelbe Postkutsche, die erste regelmäßige Postlinie von Klütz nach Wismar. Zuvor wurde die Post meist von Fuhrunternehmern befördert oder mitgegeben. Im 19. Jahrhundert liefen nachweislich drei Postlinien durch Klütz: die lübische, die wismarsche und die Kaiserliche Post. Die Kaiserliche Post (später Reichspost) nutzte später das 1890 in der Schloßstraße von Ludwig Denker erbaute Gebäude als festes Postamt. Dieses wurde 1996 endgültig geschlossen.

1848 wurde der Friedhof um die Kirche herum aufgelöst und bekam einen neuen Platz am damaligen Ortsrand von Klütz. Gleichzeitig entstand die Trauerhalle an der Kirche. Inzwischen ist dieser „Neue Friedhof“ der „Alte Friedhof“.

Ersten Pläne für eine Eisenbahnlinie gab es in den 1860er Jahren. In dieser Zeit wurden ebenfalls erste Lorenbahnen für die Landwirtschaft, u.a. in Redewisch und Oberhof, gebaut. Im Stadtarchiv Wismar finden sich Pläne für eine elektrische Eisenbahn von Wismar über Bössow, Wohlenberg, Klütz, Kalkhorst und Dassow nach Schlutup und damit nach Lübeck. Weiterhin wurde immer wieder über eine Verlängerung der Eisenbahnlinie nach Boltenhagen nachgedacht. Zeitweilig gab es sogar ein Bahnhofsgebäude an der Boltenhagener Seebrücke. Umgesetzt wurde dann, unter anderem durch die Intervention der Stadt Grevesmühlen, bis 1905 lediglich die Bahnlinie von Grevesmühlen nach Klütz, die, aufgrund der eigentümlichen Form der eingesetzten Dampflok, „Kaffeebrenner“ genannt wurde. 1995 stellte die Deutsche Bahn den Betrieb der Bahnlinie ein. Seit dem Sommer 2014 fährt eine Schmalspurbahn auf Teilen der alten Strecke.

1884 nahm als erste mehrzügige Schule in einem ritterschaftlichen Flecken die heutige „alte Schule“ in der Boltenhagener Straße ihren Betrieb auf. Zuvor gab es lange Zeit nur die Sonntagsschule im Küsterhaus und später dann die sogenannten „Klippschulen“, z.B. am Markt, in denen die unterschiedlichsten Schüler in einem Klassenraum für ein Entgelt unterrichtet wurden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich private Knaben- und Mädchenschulen und eine Handelsschule, die teilweise bis 1945 Bestand hatten. Nach 1945 wurden aufgrund des Platzmangels durch viele Flüchtlingskinder Baracken der Seifenfabrik für den Unterricht und später den Hort genutzt. 1962 wurde dann ein neues Schulgebäude in der Straße des Friedens erbaut. In der „Alten Schule“ befindet sich inzwischen ein Antikladen.

Die Zeit um 1900 brachte weitere Veränderungen in Handwerk, Handel und Gewerbe. Kleine Kramläden entwickelten sich zu Kaufhäusern. Zwischenzeitlich hatte der kleine Ort fünf davon. 1872 eröffnete Gustav Ramelow, geboren in Grevesmühlen und ein Jugendfreund von Rudolf Karstadt, dem Gründer des Karstadt-Warenhauses, im Alter von 17 Jahren in Klütz am Markt sein erstes Geschäft, in dem sich bis vor wenigen Jahren noch ein Geschäft der Familie Voß befand. 1886 baute er ein neues, modernes Kaufhaus in der heutigen Rudolph-Breitscheid-Straße. Die Ramelow-Kaufhauskette gibt es auch heute noch, u.a. in Stendal und Uelzen.

1905 öffnete das Telegraphenamt. Es gab erste Telefone und neben der neu eingerichteten Eisenbahnlinie einen regelmäßigen Postbus. Ein Hotel öffnete am Bahnhof für Zugreisende nach Boltenhagen. 1906 nahm die Gasanstalt von Paul Heinrich Podeus ihren Betrieb auf. Das ermöglichte die Nutzung von Gas im Schloss Bothmer und einigen Haushalten. Einige Straßen in Klütz bekamen eine Straßenbeleuchtung, was dem Nachtwächter die Arbeit ein wenig erleichterte.

Als 1890 das spätere Postamt in der Schloßstraße entsteht, bildete es noch den Ortsrand von Klütz in dieser Richtung. Die Häuser bis zur heutigen Bahnhofstraße entstanden anschließend. Von 1910 an wurden die sieben Villen von der Bahnhofsstraße an in Richtung Grevesmühlen errichtet, welche die Klützer scherzhaft „Millionenvittel“ nannten. Die Einwohnerzahl betrug 1912: 1179.

Der 1. Weltkrieg ging auch an Klütz nicht folgenlos vorbei. Wie überall in Deutschland begann er auch in Klütz mit viel „Hurra!“ und endete in einer großen Depression und Ernüchterung. Martin Brüsehafer fasst das folgendermaßen zusammen: [3]

„Während des Weltkrieges 1918/19 war selbst in unserem fetten Landstrich Schmalhans Küchenmeister, im Vergleich mit den Großstädten aber waren die Einschränkungen immerhin erträglich. Als nach und nach alle brauchbaren Männer und Pferde zum Kriegsdienst ausgehoben wurden, konnte die Ackerbestellung nicht mehr ordnungsgemäß vorgenommen werden. Das schmerzlichste Opfer aber war, dass aus unserer Kirchengemeinde 120 – einhundertzwanzig! – Männer an ihren Wunden verbluteten oder ihren Krankheiten und Entbehrungen erlagen. In der Kirche trägt eine Gedenktafel aus Sandstein ihre Namen.“ 

Am 21. März 1919 fragt Graf Bothmer im Anzeiger für Klütz und Umgegend:

Was bringt uns die Revolution? 
Wir haben Revolution gehabt und haben sie noch. Niemand kann sagen, wie lange dieser Zustand dauern wird. Die Bildung von Bürgerwehren zeigt uns, daß unsere Regierung uns nicht mehr schützen kann. Sie weiß kein anderes Mittel als dem Bürger die Waffe in die Hand zu drücken und zu sagen: „Rette dir dein Leben selber.“ Es ist bezeichnend, daß das Wort Revolution kein deutsches ist ....“ [4]

Bei den Landtagswahlen im Januar 1919 erhält die SPD in Klütz mit 315 Stimmen 40 Prozent. Der Spartakusbund hält im September eine Kundgebung auf dem Marktplatz ab. Die Versorgungslage ist immer noch desolat.

„Lebensmittelabgabe: In der Zeit vom 23. bis 29. März d. Js.(1919) sind bei den Kaufleuten in den Grevesmühlen, Klütz und Dassow erhältlich: Gegen Graupenkarte II Abschnitt 18 125 gr Weizengries. Der Preis beträgt für. 1 Pfund Weizengries 46 Pfg. Zu Gadebusch und Rehna werden extra verabfolgt 2 Suppenwürfel a 13 Pfg., Grevesmühlen, Klütz und Dassow erhalten Suppenwürfel im Monat April. Die Verkäufer haben die Abschnitte zu sammeln und bis zum 3. April d. Js. bei der Verteilungsstelle wieder einzureichen. Grevesmühlen, den 19. März 1919. Kreisbehörde Grevesmühlen. Abteilung Lebensmittelversorgung.“
„Betrifft Fleischversorgung: Infolge der Verzögerung der Lebensmittelverhandlungen in Spaa ist die Wochenkopfmenge für die versorgungsberechtigte Bevölkerung an Fleisch vom 17. März d. J. ab bis auf weiteres wiederes auf 110 Gramm für Erwachsene, Kinder unter 6 Jahren die Hälfte dieser Menge, herabgesetzt. Grevesmühlen, den 12. März 1919. Kreisbehörde Grevesmühlen. Abteilung Fleischversorgung. Dr. Vorbeck. [5] 

1920 wird während des Kapputsches ein durch Klütz fahrender Wagen mit Putschisten gestoppt und die Insassen verprügelt. Im „Zoll“ werden Kinofilme gezeigt. Ein Jahr später am 01. April 1921 wird Klütz zum ersten Mal eine eigenständige Gemeinde und damit unabhängig von der Grafschaft Bothmer. Das neue Gemeindehaus wird das ehemalige Armenhaus. Man hoffte, dass dies kein böses Ohmen sei, da die Gemeinde gleich zu Beginn ein Landesdarlehen von 25.000 RM aufnehmen musste. Wie in vielen Orten Mecklenburgs muss auch in Klütz aus Geldmangel Reutergeld eingeführt werden. Eine erste Ortssatzung wird erstellt. In ihr werden Gebühren, Abgaben und Steuern festgelegt, sodass endlich Geld in die Gemeindekasse fließen kann. 1922 feiert das Kaufhaus Ramelow mit einer Personalfeier sein 50-jähriges Bestehen. Die Kaufhauskette zählt inzwischen 26 Geschäfte. Die Hyperinflation 1922/23 trifft auch Klütz hart. Gerade hatte sich der Ort ein wenig von den Auswirkungen des eben beendeten Krieges erholt, da ist das Geld mit einem Male nichts mehr wert. Trotzdem treffen sich am 18. April 1923 Klützer Einwohner im „Hotel zum Berg“ und gründen die Freiwillige Feuerwehr Klütz. Im Juli, auf dem Höhepunkt der Inflation wird beschlossen, die Entwicklung der Mitgliederbeiträge an den Preis eines Hühnereis anzupassen. Es ist nicht überliefert, ob dies heute noch so ist. Der Sport in Klütz entwickelt sich erfolgreich in unterschiedlichen Sparten.

1926 wird am Bahnhof der, 2001 abgebrannte, Callis–Speicher am Bahnhof errichtet, wo er lange das Bild des Bahnhofs prägt.

Mit einem Schreiben an die Reichsbahndirektion beantragt Boltenhagen 1926 den Bau der Verlängerung der Bahnlinie Klütz-Grevesmühlen bis nach Boltenhagen. Die Verlängerung wurde nie umgesetzt. Zu Palmsonntag 1928 erscheint die erste Ausgabe vom „Gemeindeblatt der Kirchgemeinde Klütz“. Herausgegeben vom Klützer Pastor Timm. Das Gemeindeblatt ist eine wichtige Sammlung für die Historie von Klütz und gilt als Grundlage für Uwe Johnson‘s „Jahrestage“.

1930 erwirbt Ernst Kibbel die Klützer Mühle und der Ort erhält eine „Kaufmannsschule für Handlungslehrlinge“. 1931 wird, initiiert durch Gräfin Mary, mit dem Bau der katholischen Kirche am Ortsausgang Richtung Wismar begonnen. Die Stimmung im Ort verändert sich in den letzten Jahren der 1920er stark. Während eine für den 1. August 1931 auf dem Grevesmühlener Marktplatz beantragte Kundgebung der KPD verboten wird, findet in Klütz vom 01. – 02. August 1931 die Kreistagung des 1918 gegründeten „[Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten]“ statt. Bei den anschließenden Wahlen im November erringt im Ort die NSDAP mit 336 die meisten Stimmen. Auch bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 erhält die NSDAP in Klütz die meisten Stimmen (451). 1938 erhält der Flecken Klütz, unter anderem dafür, das Stadtrecht.

3. Reich (folgt)

Die Nachkriegszeit war auch in Klütz zunächst von Chaos und Mangel geprägt. Tausende Flüchtlinge und Soldaten zogen seit den letzten Kriegstagen durch den Ort gen Lübeck. Viele waren schon wochen- und monatelang auf der Flucht vor der Roten Armee. Von Westen kamen die Amerikaner näher und die galten allgemein als das geringere Übel. Viele Flüchtende blieben aber auch in Klütz. Deren Nachkommen sind inzwischen Klützer.

Da sich mit den Flüchtenden die Einwohnerzahl mit einem Schlag verdoppelte (von ca. 1500 auf 3179 1946), wurde für die Unterbringung jede mögliche Räumlichkeit genutzt. Schloss und Schule waren voll belegt. Um ein wenig Privatsphäre zu ermöglichen, wurden die Klassenräume mit Bretterverschlägen abgetrennt. Weiterhin gab es viele Einquartierungen in privaten Häusern. Das „Zusammenrücken“ verlief erwartungsgemäß nicht immer friedlich.

Klütz wurde am 03.05.1945 zunächst von den Amerikanern eingenommen. Diese versuchten, in den letzten Kriegstagen Tatsachen zu schaffen, und so weit wie möglich vorzurücken. Kurz hinter Wismar bei Hornstorf trafen die Rote Armee und die US-Army aufeinander. Am 20.05.1945 kam Klütz gemeinsam mit Schleswig – Holstein und Wismar zum britischen Besatzungsgebiet. Das hieß für die Klützer die Straßenseite zu wechseln, wenn ihnen die britischen Soldaten entgegenkamen. Die Sowjetunion bestand in der Potsdamer Konferenz jedoch auf Einhaltung der in Jalta vereinbarten Grenzen und so kam Klütz am 01.07.1945 zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).

Im Schloss Bothmer wurde beim Heranrücken der Armeen hektisch gepackt und das Silber vor der Flucht nach Lübeck im Schlosspark vergraben, wo es bei den Sanierungsarbeiten des Landes 2012 wiedergefunden wurde. Während der Besatzung der Briten kehrte die Familie kurz zurück, um weitere Möbel und Inventar nach Lübeck zu retten. Der Rest verteilte sich in Klützer Haushalte oder wurde von den einquartierten Flüchtlingen im Hungerwinter 1945/46 als Heizmaterial verwendet. Ab dem 01.07.1945 wurde das Schloss zur sowjetischen Militärkommandantur, ab September 1945 ein Typhus- und Diphtheriekrankenhaus. Im April 1947 erfolgte die Eröffnung des „Kreisfeierabendheimes Clara Zetkin“ mit zunächst 70 – 80 (später bis 260) Plätzen.

Am 01.Oktober 1945 wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Zuvor musste jedoch erst einmal wieder umgebaut und aufgeräumt werden, da die Schule bislang ja als Flüchtlingsunterkunft diente. Grundlage für den Unterricht ist zunächst der Lehrplan aus dem Jahre 1931. Schulleiterin wurde Wilhelmine Böttcher. Es kamen 900 Schüler auf 6 Lehrer. Um dem einigermaßen Herr zu werden, wurde in Schichten unterrichtet. Später wurden immer mehr „ungelernte“ Lehrer eingesetzt. Diese sogenannten „Neulehrer“ unterrichteten am Morgen oft das, was sie erst am Abend zuvor selbst gelernt hatten.

Die Eisenbahnverbindung Bad-Kleinen - Klütz war nach Wiederherstellung der technischen Anlagen 1945, als eine der ersten Bahnverbindungen Mecklenburgs wieder in Betrieb genommen worden. Eingesetzt wurden zunächst Wagen ohne Fenster und offenen Güterwagen.

Der „Hungerwinter“ 1945/46 forderte auch in Klütz viele Opfer, besonders unter den Flüchtlingen. Auch 1946 gab es immer wieder Übergriffe der sowjetischen Besatzer auf die Bevölkerung. Die Versorgungs- und Wohnsituation im Ort kann durch die Flüchtlinge, gerade in der ersten Zeit, durchaus als katastrophal bezeichnet werden. Der nachfolgende Winter 1946/47 war ebenfalls ungewöhnlich kalt und schneereich, was die Situation nicht verbesserte. 1946 eröffnete die erste Konsumverkaufsstelle in der Wissmarschenstraße 11. Im Mai wurde das Gaswerk, wenn auch unregelmäßig, wieder in Betrieb genommen. Ab 1947 nimmt das zivile Leben im Ort mit Kultur und Sport wieder Fahrt auf. Die Währungsreform am 23.06.1947 verringerte jedoch die wenigen Ersparnisse auf ein Zehntel. 1948 wurde das Kaufhaus Ramelow enteignet und in Volkseigentum überführt. Am 01. Oktober 1948 übernahm die Konsumgenossenschaft das Kaufhaus. Erster Leiter wurde Albert Eggert. Der zweite Advent 1949 war für die Kirchgemeinde ein Grund zum Feiern. Die drei Kirchenglocken, die während des Krieges zum Einschmelzen nach Hamburg gebracht wurden, kehrten nach Klütz zurück.

(wird fortgesetzt)

Klütz im Spiegel von Karten und Luftbildern

Bildergalerie

Klütz - Ortschronik/en

Anmerkung: In der folgenden Liste werden bekannt gewordene chronistische Arbeiten gelistet. In blauer Schrift erscheinen Arbeiten die digital verfügbar sind. In roter Schrift gelistete Titel sind, meist aus urheberrechtlichen Gründen noch nicht digitalisiert. Aber auch Chroniken die bekannt geworden sind, deren Verbleib aber bislang nicht bekannt ist, sind Bestandteil der Liste.

Weiterführende Information zu Klütz

Kontakte

Einzelnachweise

  1. Mecklenburger Urkundenbuch Nr. 143
  2. Lübecker Urkundenbuch Nr. VII
  3. M. Brüsehafer, „Klütz im Winkel“ S. 182
  4. Anzeiger für Klütz und Umgebung, 21. März 1919
  5. Anzeiger für Klütz und Umgebung, 21. März 1919